Kandidaten 2022

Nominationen

Dieter Egloff

Bankratspräsident Aargauische Kantonalbank

Kreditverbot für Spirituosenfirmen

«Sustainable Finance» heisst der Trend auf dem Finanzmarkt Schweiz. Unter diesem Titel engagieren sich viele Finanzdienstleister für mehr Nachhaltigkeit. Der Zeitgeist scheint gewisse Unternehmen zu waghalsigen Überlegungen anzuspornen. So hat die Aargauer Kantonalbank (AKB) ihre Richtlinien für Kreditvergaben angepasst. Basierend auf «international anerkannten Ausschlusskriterien» will die AKB künftig gewisse Unternehmen nicht mehr unterstützen. Betroffen sind Betriebe, die mit Tabakwaren oder Waffen handeln, Pornografie, Kinderarbeit oder Treibnetzfischerei fördern, Casinos betreiben oder mit der Herstellung und dem Handel von alkoholischen Getränken befasst sind. Denn der Missbrauch von Alkohol verursache «gesundheitliche und soziale Probleme» und zerstöre Freundschaften und Familien. 
Die AKB will allerdings Bier und Wein vom Verbot ausnehmen. Bier und Wein seien gesellschaftlich tolerierbare Genussmittel und «Teil unserer Ess- und Trinkkultur». Aargauer Unternehmer wie Lorenz Humbel staunen nicht schlecht: Dass seine Spezialitätenbrennerei, die seit 1918 tätig ist, sich nun plötzlich auf gleicher Stufe wie Waffenhändler und Pornoproduzenten findet, ist doch recht unerwartet.

 

Peter Füglistaler

Direktor Bundesamt für Verkehr

Fondue-Verbot in Gondeln

Einmal mehr sorgen sich EU-Beamte um das Wohlergehen der Bürger. Neuster Streitfall sind die Fondue-Plausch-Fahrten in Schweizer Bergbahnen. Tourismusdestinationen wie Zermatt oder Grindelwald vermarkten den Fondue-Plausch in luftiger Höhe als beliebte Ferien-Attraktion. Die EU aber stuft solche Aktivitäten als Sicherheitsrisiko ein. Grund dafür ist die EU-Seilbahnrichtlinie. Diese definiert, welche Massnahmen für einen sicheren Seilbahn-Betrieb zu treffen sind. Die Richtlinie gilt flächendeckend – selbst Berlin und Bremen mussten Seilbahngesetze erlassen, obwohl es dort gar keine Seilbahnen gibt. 
Nun sind die abendlichen Gondelfahrten in den Schweizer Bergen im Fokus, bei welchen Fondue serviert wird. Laut dem Bundesamt für Verkehr hat es dafür noch gar nie eine Genehmigung gegeben: «Sämtliche Aktivitäten mit offenem Feuer an Bord aller Arten von geschlossenen Seilbahnfahrzeugen und alle Transporte von brennbaren Gasen und Flüssigkeiten während der Beförderung von Fahrgästen» seien verboten. Daher seien Plausch-Fahrten mit Fondue an Bord per sofort untersagt. Die Bergbahnbetreiber ärgern sich, denn Fondue-Fahrten lassen sich gerade dann gut verkaufen, wenn die Pisten nicht mehr gut befahrbar sind. 
Die Branche sucht intensiv nach Lösungen. Nun zeichnet sich dank einem neuen Sicherheitskonzept die Möglichkeit für eine allfällige Ausnahmeregelung ab. Die Nomination bleibt trotzdem bestehen: Wir möchten nicht, dass bald auch der Champagner-Zmorge in der Bergbahn verboten wird.

 

Brigitte Studer

Mitglied des Genfer Stadtparlaments, Ensemble à Gauche/Solidarités

Städtische Rabattkarte für Frauen

Im Februar 2022 beschloss das Genfer Stadtparlament in einer nächtlichen Sitzung, dass Frauen, die in Genf wohnen, künftig eine Rabattkarte erhalten sollen. Gleichberechtigung war gestern: Heute sollen die Genfer Frauen in städtischen Einrichtungen flächendeckend 20 Prozent Rabatt erhalten. Während Männer für ihren Eintritt ins Schwimmbad, Theater oder Museum den vollen Preis zu entrichten haben, erhalten die Frauen fürs Frausein einen Rabatt von 20 Prozent.
Begründet wird der Vorstoss mit der Lohnungleichheit. Laut SP-Stadtparlamentarierin Oriana Brücker ist die Bekämpfung dieser Ungleichheit eine Aufgabe von Städten und Gemeinden. Der Vorstoss habe aber vor allem eine «symbolische Funktion» und solle das Problem veranschaulichen. Dass Verfassungsrechtler den Vorstoss als Verstoss gegen die Gleichberechtigung werten, kümmert die Initiantinnen nicht. Sie freuen sich über das internationale Medienecho – immerhin spreche man jetzt über ihre Idee.

 

Markus Hüsser

Anwohner in Berikon

Polizeistunde für Kuhglocken

Die Aargauer Gemeinde Berikon liegt im Bezirk Bremgarten, südlich der Mutschellen-Passhöhe. Doch die ländliche Idylle wird durch handfeste Auseinandersetzungen gestört. Aufgrund verärgerter Anwohner muss nun Walter Brechbühl, ein Aargauer Bauer, seinen Kühen künftig ab 22 Uhr die Glocken ausziehen. Die Nachtruhe, so ein Entscheid des zuständigen kantonalen Departements, gelte auch für Kuhglocken. Die Gemeinde Berikon wird nun ihr Polizeireglement entsprechend anpassen. Landwirt Brechbühl wird seine Kühe künftig ohne Glocken weiden lassen. 
Auslöser war eine Klage von Anwohner Markus Hüsser. In seinem Haus, das direkt an der Kuhweide liegt, sei es nicht möglich, in der Nacht durchzuschlafen. In den Ferien habe er sogar «von daheim fliehen müssen, um Ruhe zu haben». Dass für eine Gartenparty ab 22 Uhr strikte Nachtruhe gilt, Kühe aber um diese Zeit noch nicht Feierabend haben, findet Hüsser falsch. Seine Beschwerde löste diverse Reaktionen aus: Nach einer Petition für ein Kuhglocken-Verbot von 20.00-07.00 Uhr, die von 37 Personen unterzeichnet worden war, wurde eine weitere Petition gegen ein Glocken-Verbot lanciert, welche ganze 74 Bürger unterzeichneten. Sogar eine Solidaritätsdemonstration mit Kuhglocken zugunsten des betroffenen Bauern fand statt.
Einen Kontrapunkt setzte die Gemeinde Bauma im Zürcher Tösstal: Die Gemeindeversammlung befand, dass das Geläut von Kirchen- und Kuhglocken kein Lärm sei und darum von den Ruhezeiten ausgenommen sei. Der entsprechende Eintrag in der Polizeiverordnung soll Lärmklagen unterbinden. «So etwas gehört auf dem Land dazu», begründet es der Gemeindepräsident. Punkt.

 

Raphael Fuhrer

Grossrat Basel-Stadt, Grüne    

Gemüsebeauftragter für Basel

Die Grüne Partei gewinnt nicht nur flächendeckend Parlamentssitze: Die grünen Parlamentarier sind vielerorts auch auffällig aktiv. So wünscht sich Raphael Fuhrer, Grossrat in der Stadt Basel, dass die Städter wieder mehr Gefühl fürs Gemüse entwickeln sollen. Die Bevölkerung müsse wieder vermehrt für Saisonalität und Nachhaltigkeit sensibilisiert werden. 
Raphael Fuhrer hat im Grossen Rat einen entsprechenden Vorstoss durchgebracht. Die Bevölkerung soll vom Kanton über die Saisonalität der Pflanzen und Lebensmittel, aber auch über deren Bewirtschaftung aufgeklärt werden. Das Wissen über den regionalen Anbau von Kulturpflanzen gehe immer mehr verloren. Darum solle die Stadtgärtnerei den Baslern beibringen, wann genau Kartoffelernte ist und wie Gemeinschaftsgärten miteinander biologisch bewirtschaftet werden können.
Der Grosse Rat folgte letztlich zwar dem Antrag des Regierungsrats – aber nicht, weil dieser die Idee verfehlt fand, sondern weil der Auftrag «implizit bereits erteilt» sei: Der Kanton Basel-Stadt kennt schon seit Jahren eine kantonale Kompostberatung. So ist es möglich, einen Termin mit den Basler Kompostberatern zu vereinbaren. Diese kommen dann zu den Bürgern nach Hause und zeigen ihnen im Garten «Schritt für Schritt, wie man richtig kompostiert». Sobald die bestehenden Pendenzen der Stadtgärtnerei abgetragen seien, könne die Beratungsarbeit ausgeweitet werden. Nichts ist unmöglich.